EU-Richtlinie basiert nur auf groben Grenzwerten für Luftqualität

EU-Richtlinie basiert nur auf groben Grenzwerten für Luftqualität

Von Jan Oliver Löfken, Hamburg

Hunderte chemische Substanzen vom Ruß über Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe bis zu Pollen und Bakterien finden sich in Feinstäuben - mit ganz unterschiedlicher Wirkung auf die Gesundheit. Die EU-verbindliche Messgröße gibt nur ein grobes Maß vor.

Doch die EU-verbindliche Messgröße PM-10 ("particulate matter") erfasst lediglich das Gewicht aller Partikel mit Größen unter zehn Millionstel Metern (Mikrometer) und kann nur als grobes Maß für die tatsächlich herrschende Luftqualität dienen.

"Je kleiner die Partikel, desto tiefer gelangen sie in die Lunge", sagt Alfred Wiedensohler, Aerosolwissenschaftler am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig. Kleiner als 2,5 Mikrometer dringen sie bis in das letzte Lungenbläschen vor. Lungenkrebs, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen gehören zu den langfristigen Auswirkungen und können nach aktuellen Studien das Risiko für vorzeitige Sterblichkeit um bis zu 14 Prozent erhöhen. Doch genau diese gefährliche Partikel-Fraktion (PM-2,5) wird nicht direkt gemessen. "PM-2,5 ist der für die Gesundheit relevantere Wert", sagt Ulrich Franck, Umweltepidemiologe am Leipziger Umweltforschungszentrum (UFZ). So wird in Fachkreisen diskutiert, ob die EU-Richtlinie nicht auf diesen neuen Grenzwert umgestellt werden sollte.

Technische Grundlage für den Wiegevorgang ist in beiden Fällen ein Ansaugkopf, der eine konstante Luftmenge durch einen Feinfilter leitet. Was sich in diesen absetzt, kann gewogen werden. Im UFZ schauen die Forscher mit ausgeklügelten Methoden noch genauer hin. Denn ultrafeine Teilchen in der Luft mit Größen unter 100 millionstel Millimeter stehen ebenfalls im Verdacht, große Auswirkungen auf die Gesundheit zu haben. Im Dieselruß fallen sie zwar im Wortsinne kaum ins Gewicht, doch ihre Anzahl übersteigt die aller anderen Teilchen. "Ultrafeine Partikel können in die Blutbahn gelangen und schädlichen Einfluss auf die Gesundheit ausüben", sagt Erich Wichmann, Leiter des Instituts für Epidemiologie am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg.

Optische Zählmethoden

Zuverlässig wiegen lassen sich diese Teilchen nicht mehr. Daher greifen die Luftanalytiker zu optischen Zählmethoden. "Im Prinzip wirkt das Gerät wie eine Lichtschranke für Teilchen", sagt UFZ-Forscher Franck. Die winzigen Partikel unterbrechen einen Lichtstrahl und werden dabei gezählt. Zur Analyse der Herkunft der Partikel greifen die Wissenschaftler zur chemischen Analytik.

"In hochbelasteten Innenstadtstraßen stammen 50 Prozent der Belastung aus Dieselmotoren", sagt Marion Wichmann-Fiebig von der Abteilung Luft des Bundesumweltamtes in Berlin. Solche Aussagen würde die reine Wägung nach EU-Standard nicht ermöglichen. Analog zeigen die Analysen, ob sich der gewogene Feinstaub aus Blütenpollen vom benachbarten Feld, aus Industrieschloten, Abrieb von Reifen oder gar aus Salzpartikeln vom nahen Meer zusammensetzt.

Kommunen und Länder sollten vorsorgen

"Über die Wirkweise der ultrafeinen Partikel ist noch längst nicht alles bekannt", sagt Wichmann. Arbeitsgruppen widmen sich diesem Thema, das auch eine Relevanz für die Entwicklung neuer Materialien mithilfe der Nanotechnologie haben könnte. In diesem boomenden Forschungsbereich stehen ebenfalls Teilchen unter 100 Nanometer Größe im Mittelpunkt des Interesses.

Als dringend sieht Wichmann zumindest die Umstellung auf PM-2,5 an. Kommunen und Länder sollten nicht erst auf eine Direktive aus Brüssel warten. Sollte in Zukunft nach diesem genaueren Standard gemessen werden, würden die Städte erneut Probleme mit der Einhaltung bekommen. "Nur jeder starke Raucher muss sich bewusst sein, dass diese ganze Diskussion für ihn eher zweitrangig ist", sagt Franck. Der könnte sein inhaliertes Feinstaubgemisch aus rund 2000 teils unbekannten Substanzen ohne Hightech sofort vermeiden.

Quelle:
http://www.ftd.de/tm/rd/1111217813757.html?nv=cpm

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